GeschäftsführerinWider das Gießkannenprinzip | Blog | Fuchs - fördern und Chancen schaffen
22. Juni 2012 • Ulrike Adams • 0 K.

Wider das Gießkannenprinzip

„Die Verschwendung der Kindheit“ heißt ein Buch von Felix Berth, langjähriger Redakteur für familien- und gesellschaftspolitische Themen bei der Süddeutschen Zeitung und heute Mitarbeiter beim Deutschen Jugendinstitut (dji).

Der plakative Titel hat mich neugierig gemacht – gelesen habe ich das Buch dann in einem Rutsch. Es lohnt sich, auch wenn die Lektüre durchaus frustrierend ist: Denn anhand von Studien und gut belegten Zahlen führt Berth uns vor, was in unserer Bildungspolitik alles falsch läuft. Es ist eine Menge, denn wir arbeiten quasi aktiv daran, dass sich die Schere zwischen arm und reich immer weiter öffnet und wir füllen das soziale Pulverfass stetig auf.

Jammern hilft bekanntlich nichts und das Buch bietet genügend Gelegenheit, den eigenen Tatendrang weiter zu mobilisieren. Berth bringt viele Belege dafür, dass wir mit kleinen Änderungen viel Positives erreichen könnten. Sein Hauptbeispiel ist die Perry Preschool, ein Experiment, das in den sechziger Jahren in einer amerikanischen Kleinstadt stattfand: Über hundert Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen wurden ab dem Alter von drei Jahren für einige Zeit ein paar Stunden am Tag intensiv gefördert – eine Kontrollgruppe von Kindern aus denselben Verhältnissen aber nicht. Die Auswirkungen dieser Förderung durch Profis zeigte sich noch vierzig Jahre später: Die betreuten Kinder hatten bessere Schulabschlüsse, bessere Jobs und saßen nicht so oft und so lange im Gefängnis, wie die Kontrollgruppe. Für den Staat entpuppte sich das Experiment, das ja anfänglich mit Kosten für die Betreuung verbunden war, letztendlich als ein „Schnäppchen“. Die früher betreuten Kinder zahlten mehr Steuern und sie kosteten die Sozialkassen wesentlich weniger, zum Beispiel durch deutlich weniger Gefängnisaufenthalte. Ähnlich gelagerte Versuche später brachten ähnliche Ergebnisse: Wenn man sozial schwache Kinder früh fördert, wird man eine lohnende Rendite erwirtschaften.

Welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen? „Gleichheit? Bloß nicht“ sagt Berth dazu. Die sozial Schwachen müssen besonders gefördert werden. Das auf Adenauer zurückgehende Gießkannenprinzip, das allen Familien in diesem Land die gleichen Leistungen zukommen lässt, hält er für absurd und durch viele Zahlen widerlegt. Nur: Kein Politiker traut sich, dieses heiße Eisen anzufassen, aus Angst vor dem irrationalen Volkszorn. Nüchtern betrachtet wäre es doch weitaus sinnvoller, den ohnehin halbwegs gut situierten Familien weniger Bares zu geben. Statt eines netten, aber nicht wirklich nötigen Zubrotes müssen die sozial Schwachen gezielt gefördert werden – und zwar so früh wie möglich, so wie in der Perry Preschool. Was zuerst wie ein Verlust für die Mittel- und Oberschicht erscheinen mag, wird sich schon bald als ein Vorteil erweisen - für die Wirtschaft, die Demokratie, das Zusammenleben - für alle. Eine schöne Vorstellung, oder?

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Immer wieder fassungslos
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Wider das Gießkannenprinzip
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Aus dem fuchs-Alltag: Froh über den Start
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Einladung zum Perspektivenwechsel

FUCHSIGE LESE-TIPPS:

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MiGAZIN – MIGBLOG
ein fremdwoerterbuch
DIB – Die Integrationsblogger
An der pädagogischen Borderline
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Lernblog